Steuerbefreiung trotz Steuerhinterziehung

Ein Urteil des Bundesfinanzhofs klingt absurd und regt doch zum Schmunzeln an (BFH, Urt. v. 12.3.2020 – V R 20/19).

Zum Sachverhalt: Ein deutscher Unternehmer lieferte Autos in die Türkei. Er erklärte in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen steuerfreie Ausfuhren In Höhe der Rechnungsbeträge. Die Kfz wurden auch tatsächlich in die Türkei exportiert (ein sogenannter Drittstaat, weil außerhalb der EU) Der Zoll hat die entsprechenden Belege für die Ausfuhr abgestempelt.

Gleichzeitig stellte der Unternehmer aber zur Vorlage bei den türkischen Einfuhr-Behörden jeweils eine zweite, niedrigere Rechnung aus. Dadurch reduzierte sich die Sonderverbrauchsteuer und Umsatzsteuer in der Türkei.

Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung in Deutschland flog die Sache auf. Der Betriebsprüfer sah einen Missbrauch in der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung, weil damit im Empfängerland eine Steuerhinterziehung verbunden war. Und in der Tat hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bisher verschiedentlich in diesem Sinne geurteilt.

Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide mit einer Nachzahlung von ca. € 200.000,- wurde Einspruch und Klage beim Finanzgericht eingereicht; beides hatte keinen Erfolg. Erst beim BFH obsiegte der Unternehmer über die Finanzverwaltung. Der BFH stellte klar, dass auf der Ausfuhrseite der für die Steuerbefreiung nötige Buch- und Belegnachweis vorlag. Die Steuerhinterziehung auf der Einfuhrseite interessierte ihn nicht, weil die Türkei ein Drittstaat ist.

Nur bei Steuerhinterziehung innerhalb der EU kann die Steuerbefreiung versagt werden, denn nur auf solche Sachverhalte bezieht sich die Rechtsprechung des EuGHs. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland ein Steuerstrafverfahren eröffnet werden kann, wenn z. B. Umsatzsteuer in einem anderen EU-Staat hinterzogen wird (§ 369 Abs. 6 AO). Hier gilt dann eine doppelte Strafbarkeit: im Land des Tatortes und der Ansässigkeit.

Das Urteil soll aber keinesfalls zur Steuerhinterziehung animieren. Es stellt nur klar, dass innerhalb der EU deutlich schärfere Regeln gelten als in Beziehung zu Drittstaaten. Nach dem Recht des Tatortes ist allerdings damit zu rechnen, dass jedenfalls nach dortigem Recht ein Strafverfahren eröffnet wird. Und das ist dann bestimmt nicht lustig.

 

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